Der Grosse Eisenbahnraub: Roman by Michael Crichton

Der Grosse Eisenbahnraub: Roman by Michael Crichton

Autor:Michael Crichton
Die sprache: eng
Format: mobi
ISBN: 9783499143113
Herausgeber: Rowohlt
veröffentlicht: 1979-04-14T22:00:00+00:00


Ein »Aalhäuter« wundert sich

Nationalökonomen beobachteten um 1850, daß zunehmend mehr Menschen sich vom »Handel« ernährten, der Versorgung des aufblühenden Mittelstands mit Waren und Dienstleistungen. England war damals die reichste Nation der Erde, die reichste, die die Welt je gekannt hatte. Die steigende Nachfrage nach Verbrauchsgütern aller Art hatte eine Spezialisierung zur Folge. So gab es im viktorianischen England die ersten Möbeltischler, die sich ausschließlich auf die Fertigung von Einzelstücken spezialisierten, und die ersten Möbelgeschäfte, die nur bestimmte Einrichtungsgegenstände verkauften.

Aber auch in der Unterwelt spezialisierte man sich. Das zeigte sich an der Figur des sogenannten »Aalhäuters«. Ein Aalhäuter war in den meisten Fällen ein ehemaliger Metallarbeiter, der entweder auf die schiefe Bahn geraten oder zu alt geworden war, um das scharfe Arbeitstempo in der Fabrik durchzuhalten. Wie dem auch sei, ein Aalhäuter war jemand, der sich darauf spezialisiert hatte, »Metallgegenstände« für die Verbrecherwelt herzustellen.

Meist waren das Totschläger, die sogenannten Aalhäute.

Die ersten Totschläger waren mit Sand gefüllte wurstförmige Leinenbeutel, die Ganoven, Straßenräuber und Diebe im Ärmel versteckt hielten, bis die Zeit gekommen war, sie einem Opfer über den Schädel zu ziehen. Später wurden die Beutel mit Bleischrot gefüllt.

Ein Aalhäuter stellte aber noch andere Artikel des kriminellen Bedarfs her. Ein »Neddy« war eine Art Keule, mitunter eine simple Eisenstange, manchmal auch eine Eisenstange, die sich an einem Ende zu einer Kugel verdickte. Der »Sack« war eine Eisenkugel von rund zwei Pfund Gewicht in einem festen Strumpf. Ein »Ziemer« war eine Art Peitsche mit einer Eisen kugel am Ende der Schnur: Der Angreifer schlug dem Opfer damit wiederholt von vorn ins Gesicht. Nach einigen wenigen Schlägen mit diesen Waffen wehrte sich das Opfer nicht mehr und konnte in Ruhe ausgeraubt werden.

Mit der zunehmenden Verbreitung von Feuerwaffen verlegten sich die Aalhäuter auch auf die Herstellung von Kugeln. Einige wenige geschickte Angehörige der Branche widmeten sich außerdem noch der Anfertigung von Nachschlüsseln oder Drehrums, aber diese Arbeit stellte hohe Anforderungen. Die meisten Lieferanten begnügten sich mit einfacherer Arbeit.

Anfang Januar 1855 erhielt ein Aalhäuter in Manchester, ein gewisser Harkins, Besuch von einem rotbärtigen Herrn, der eine bestimmte Menge Bleikugeln zu kaufen wünschte.

»Kein Problem«, sagte Harkins. »Ich stelle jede Art Bleischrot her. Wieviel wünschen Sie denn?«

»Fünftausend«, sagte der Herr.

»Bitte um Vergebung?«

»Ich sagte, ich brauche fünftausend Bleikugeln.«

Harkins blinzelte. »Fünftausend – das ist keine Kleinigkeit. Warten Sie mal, das sind … hm, sechs Kugeln pro Unze. Das wären also …« Er starrte zur Decke und nagte an der Unterlippe. »Und sechzehn … also, das macht … Gott schütze mich, das sind insgesamt ja mehr als fünfzig Pfund Schrot.«

»Ich nehme es an«, sagte der Herr mit dem roten Bart.

»Sie wollen fünfzig Pfund Bleikugeln?«

»Fünftausend Stück, ja.«

»Nun, fünfzig Pfund Blei, das wird aber einige Zeit erfordern, und das Gießen, also, das geht auch nicht im Handumdrehen. Es wird ein Weilchen dauern. Fünftausend Bleikugeln, also wirklich, so schnell geht das nicht.«

»Ich brauche sie in einem Monat«, sagte der Besucher.

»In einem Monat … in einem Monat … Lassen Sie mich mal sehen … Gießen, hundert pro Arbeitsgang … Ja, doch, das ginge …« Harkins nickte. »Also gut, Sie können Ihre fünftau send in einem Monat haben.



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